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Wort zum Sonntag 19.02.2023

Die andere Wange

Beim Schreiben des „Wortes zum Sonntag“ bin ich heute erst mal ratlos: Ich schaue, was meine Kirche als Evangeliums-Text für den kommenden Sonntag vorsieht: „Ich aber sage Euch: Leistet dem, der Euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn Dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“ (Matthäus, Kapitel 5, Vers 39)

Schwer zu ertragen in den Tagen des Ukraine-Kriegs. Es scheint offensichtlich, dass dort die einen den anderen „Böses antun“. Dass die anderen gegen die einen „Widerstand leisten“. Von Menschen dagegen, die „die andere Wange hinhalten“, hören wir in den Nachrichten nichts. Also Wasser auf die Mühlen derer, die die Bibel für ein veraltetes Geschichtenbuch mit weltfremden Botschaften halten?

Soll ich mir lieber ein „leichteres“ Thema suchen? Ist ja schließlich Fasching! Nein, ich probier‘ mal, ob ich denen ‘was zu sagen habe, die diesen Bibeltext am Samstag oder Sonntag im Gottesdienst hören oder die ihn nachlesen. Etwas, das mir auch selbst beim Verständnis hilft. Denn nur so kann die Grundlage des christlichen Glaubens für uns Bedeutung gewinnen ...

Jesus lebte in einer gewalttätigen Welt. Was er sagte, sagte er bewusst – gerade wegen der Verhältnisse um ihn herum. Und er sagte noch mehr: Die Rede, aus der das bekannte Zitat stammt, kennen wir als „Bergpredigt“. Und die ist voll von solchen Zumutungen. Jesus setzte also das, was er sagte, gegen das, was er erlebte. Er gab sich nicht zufrieden: „So sind sie halt, die Menschen ...“ Nein, er will eine Veränderung zum Guten.

Will ich das auch? Kann ich etwas anders machen, um die Verhältnisse positiv zu beeinflussen? Wenigstens ein bisschen? Auch auf die Gefahr hin zu scheitern: „So sind sie halt, die Menschen …?“ Und mit dem Risiko, dann wieder von vorn anfangen zu müssen?

Auch so sind wir Menschen: Wir versuchen und scheitern und fangen immer wieder neu an. Beim Lernen eines Musikinstruments oder beim Basteln, in der Beziehung, auf der Arbeit. Das ist übrigens ein Kerngedanke dessen, was die Kirchen mit der Vorbereitung auf Ostern beabsichtigen: Die „Fasten-“ oder „Passionszeit“ startet mit dem Satz „Kehr um und glaub‘ an das Evangelium!“ Eben: versuchen und scheitern und immer wieder neu anfangen.

Nochmal zurück zur Alltagstauglichkeit der „anderen Wange“. Ich würde mir nicht anmaßen, das einem Ukrainer oder einer Ukrainerin zu sagen. Aber mich beschäftigt schon der Gedanke, dass nicht alle russischen Soldaten (Soldatinnen?) „kleine Putins“ sind. Dass viele von ihnen lieber nicht in ein anderes Land einmarschiert wären. Dass sie zur Gewalt gedrängt werden. Mir erscheint es nicht so eindeutig, dass sie das Böse wollen, dass sie anderen antun! Ich denke, viele russische Soldaten stecken in einer Situation, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben.

Ich manchmal auch. Jesus will, dass ich mich nicht einfach damit abfinde. Dass ich Alternativen suche, wenn ich sehe, dass da ‘was nicht stimmt, nicht gut ist. Dass ich dort etwas ändere, wo ich bin, und mit den Mitteln, die ich habe. Dass ich versuche und scheitere und neu anfange – jeden Tag, wenn nötig. So fängt auch die Veränderung im Großen an: bei mir!

Markus Waite, Pastoralreferent im Pastoralen Raum Hammelburg

markus.waite@bistum-wuerzburg.de

Quelle: Einzugsgebiet Bad Kissingen

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