Wort zum Sonntag - 24.08.2025, Maik Richter, Diakon
Wort zum Sonntag
24.08.2025
Herr, lehre uns beten! (Lukas 11, 1)
Kennen Sie Günter Litfin? In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer gebaut. Am 24. August 1961 (heute vor 64 Jahren) wurde Günter Litfin (*1937 – +1961) während seines Fluchtversuches in den Westen gegen 16.15 Uhr im Humboldthafen der Spree in Berlin mit 24 Jahren erschossen. Litfin war somit der erste DDR-Flüchtling, der an der Berliner Mauer gestorben ist. Nach aktuellen Einschätzungen waren es 140 Personen, die an der Berliner Mauer gestorben sind. Unter diesen 140 Personen sind diejenigen noch nicht mit eingerechnet, die an der innerdeutschen Grenze zu Tode gekommen sind.
Unvorstellbar, welches Leid die ehemalige Teilung von Ost und West mit sich gebracht hat. Und wir können nur erahnen, wie viele Traumata, Verletzungen und unaufgearbeitete Erfahrungen noch bei vielen Menschen tief sitzen. Auch meine Familie und ich haben indirekt unsere eigenen „Mauer-Erfahrungen“, die immer wieder einmal sichtbar werden.
Die Jahreslosung 1961, das Jahr des Mauerbaus, lautete aus dem Evangelium nach Lukas im 11. Kapitel: „Herr, lehre uns beten!“
Ja, ich glaube, damals haben viele Menschen gebetet. Angesichts dessen, dass man mit menschlichen Fähigkeiten nichts mehr erreichen kann, kann man letztlich nur noch die Hände falten und beten. Hoffen und bangen, dass sich die Situation verbessert oder zumindest die Gewissheit bekommt in Angst und Not nicht allein zu sein.
Wenn ich auf die aktuelle Lage in der Welt blicke, insbesondere auch auf die politische Lage in Deutschland und auf manche Strömungen, die auch dafür sind, Grenzen „dicht“ zu machen oder durch ihr Verhalten zeigen, wie man andere Menschen ausgrenzt, kann ich auch immer wieder nur die Hände falten und darum beten, dass sich alles zum Positiven wendet.
Und immer wieder spornt mich das Gebet an, doch auch tätig zu werden, aufzuzeigen, wo andere in ihrem Recht verletzt oder ausgegrenzt werden. Zu zeigen und sich dafür einzusetzen, dass wir alle, egal woher wir kommen und wie wir aussehen, geliebte Geschöpfe Gottes sind.
Der Vers aus dem Lukasevangelium im 11. Kapitel ist eine Bitte der Jünger an Jesu, dass er ihnen das richtige Beten lehren soll. Jesus antwortet mit dem Gebet, das viele Menschen auswendig kennen: Dem Vaterunser.
Manchmal fehlen uns die Worte. Wie gut, dass im Vaterunser alles vorhanden ist, was uns bedrückt, beschwert und auch befreit.
Günter Litfin und viele andere Menschen haben ihr Leben verloren für ihre Freiheit. Wir heute hier in Deutschland müssen keine Angst haben, dass unser Leben bedroht ist, wenn wir unsere Meinung kundtun und uns für ein menschenfreundliches Zusammenleben, also nichts anderes als Nächstenliebe, einsetzen.
Vielleicht motiviert Ihr nächstes Gebet, Ihr Besuch in einer Kirche oder einem Gottesdienst, dass Sie sich auch durch gute Taten für den Nächsten in Ihrem Umfeld einsetzen
Ich wünsche Ihnen dafür Gottes guten Segen. Bleiben Sie behütet!
Ihr Diakon Maik Richter, Evang.- Luth. Kirchengemeinde Bad Kissingen