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Wort zum Sonntag 24.07.2022

Martin Hild, ev. luth. Pfarrer für Münnerstadt mit Vakanzvertretung für Bischofsheim in der Rhön

In dir ist Freude mitten im Leide

Seit dem Überfall von Putin auf die Ukraine am 24. Februar sind es heute fünf Monate. Fünf Monate unablässiger Raketenangriffe halten die friedlichen Einwohnerinnen und Einwohner des überfallenen Landes nun aus. Viele Menschen in Europa nehmen Anteil an ihrem Schicksal. Auch in unserem Pfarrhaus haben wir Platz freigeräumt und eine Kleinfamilie aufgenommen.

So nahe war mir persönlich ein Krieg noch nie. Jederzeit kann die Nachricht kommen, dass Familienmitglieder der Gastfamilien in unserem Haus oder unserer Gemeinde getötet wurden. Die Sehnsucht nach der umkämpften Heimat ist zu spüren und zugleich die Angst vor der Rückkehr aus dem sicheren Gastland.

Zugleich leben die Geflüchteten der Gastfamilien aus der Ukraine so etwas wie Normalität im Alltag: Deutschkurs, Auseinandersetzung mit der deutschen Bürokratie, Schule, Studium, Arbeitssuche, Wohnungssuche.

Ich bin sehr beeindruckt von den Lehrer/innen und Professor/innen, die aus der Ukraine selbst unter Beschuß für ihre Schützlinge online Unterricht geben. Wäre Deutschland so bedrängt, ob dies wohl meine erste Sorge wäre?

Auch die Europäer/innen ächzen unter den wirtschaftlichen Folgen des Krieges. Sie habe sich mit den Sanktionen selbst vom billigen Öl und Gas abgeschnitten. Sie finanzieren einen Krieg mit, der schwer zu gewinnen ist. Aus Sowjetzeiten gewohnte prorussische „Agitation und Propaganda“ versucht die Fakten zu verdrehen. In einer von der Pandemie verunsicherten Bevölkerung ist da einiges erreichbar.

Lange Zeit haben wir die Zeichen der Zeit in Europa ignoriert. Putins Kriege in Tschetschenien und Syrien schienen weit weg. Die russischen Panzer, die die Demokratiebestrebungen in Kasachstan und Weißrussland niederwalzten, haben wir kaum wahrgenommen, obwohl die Geschichte vom 17. Juni oder dem Prager Frühling uns Europäer ebenso hätten sensibel machen müsssen wie die Erinnerung daran, wie Adolf Hitler damals mit „heim ins Reich“ immer mehr Gebiete für räuberische Expansion sich aneignete.

Immerhin eint der gemeinsame Feind Europa und die NATO in einer Weise, wie es schon lange nicht mehr der Fall war. Wenn wir unsere westlichen Freiheiten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bis zu freier Ausübung der Religion erhalten wollen, müssen wir jetzt handeln und dem Feind eine Grenze setzen.

Einen Feind im Kopf haben wir immer schon, wir spüren dies im Gewissen. Christinnen und Christen kennen die Gebote Gottes. In der Nachfolge Jesu wollen wir Gott und die Menschen lieben, auch wenn dies nicht gleich erwidert wird. Jeden Tag brauchen wir Vergebung durch das Gebet, weil wir ja doch nicht den ganzen Willen Gottes erfüllen können. Aber mit ihm können wir täglich neu anfangen.

Nach dem Krieg wird es auch ein neues Anfangen geben mit Russland. Es wird eine Zeit nach Putin geben, denn Gott setzt Könige ein und setzt sie wieder ab. Dann wird die Zeit zur Vergebung und Versöhnung kommen. Solange aber erfordert es beharrliche Geduld, für die Kämpfenden und die Leidenden und für alle, die allen Menschen Glück und Freiheit wünschen.

Der Heilige Geist ist genau der richtige Ansprechpartner für die Bitte um die nötige Geduld. Eigentlich ist er die weibliche Seite Gottes, wie eine Mutter, die einen in den Arm nimmt. Jesus will uns mit diesem Geist erfüllen und beschenken und trösten. Dieser Geist ist unsichtbar, aber immer da. Darum können wir zwischen bedrückten Gedanken immer wieder durchatmen, aufatmen, neue Kraft nehmen von Gott.

Ihr Martin Hild, ev. luth. Pfarrer für Münnerstadt mit Vakanzvertretung für Bischofsheim in der Rhön.

 

 

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