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ev. Pfarrerin Jacqueline Barraud Volk 2022Wort zum Sonntag,
13.02.2022

 

Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk

 

Manchmal muss es schwarz-weiß sein

 

Liebe Leserinnen und Leser,

als es noch keine Farbphotos, keinen Farbfernseher und keinen Farbkopierer gab, da war schwarz-weiß ganz normal. Heute gibt überall Farbe den Ton an. Wenn da neben knallgrün und schrillgelb plötzlich schwarz-weiß auftaucht, wird diese Begrenzung zum Außergewöhnlichen und zum besonderen Effekt. In der Mode wirkt schwarz-weiß seriös. Mein Bildband über die Geschichte des französichen Chansons sieht dabei edel aus und Postkarten sowie Kalender in schwarz-weiß lassen Licht und Schatten deutlich hervortreten.

Diese Konzentration auf das Wesentliche kann auch stark überzeichnet werden. Ich denke dabei an alte schwarz-weiß Filme. Don Camillo, der Pfarrer, der so schön lächeln kann und der ständig mit Peppone, dem Bürgermeister seines italienischen Dorfes, eine Auseinandersetzung auszufechten hat. Wie kann er sich doch über die kleinste Kleinigkeit wahnsinnnig aufregen. Etwa dann, wenn er in seiner Kirche mit dem sehr verständnisvollen und gelassenen wirkenden Jesus am Kreuz lange Gespräche führt und dieser ihm den Spiegel vorhält und ihm klar macht, dass er doch eigentlich aus genau dem gleichen Holz geschnitzt ist, wie sein Kontrahent. Unvergeßlich die Szene in der Don Camillo und Peppone ein Wettrennen auf ihren Fahrrädern machen. In der herrlichen Weite der flachen italienischen Po-Ebene wird ein engstirniger Kampf zwischen Kirche und Welt, zwischen Glaube und Ideologie, mit Hilfe von Muskelkraft ausgetragen. Da können am Ende nur die Lachmuskeln gewinnen.

Schwarz-weiß, das kann auch ein kritisches Stilmittel sein. Die Propheten der Bibel haben es gekonnt eingesetzt. Immer, wenn sie auftreten, werden Licht und Schatten besonders deutlich. Dann kommt zu Tage, was eigentlich jeder weiß und doch niemand sehen will: Ungerechtigkeit, Armut, Unmenschlichkeit, Leid. Sie bringen ans Licht, was zum Himmel schreit. Der Prophet Amos klagt an, dass es Menschen gibt, die den Preis für Korn erhöhen, die Waage fälschen, skrupellos Spreu anstatt Korn verkaufen und die Armen um ihr Hab und Gut bringen (Amos 8,4-6). Amos verlässt das schöne bunte Einerlei, um darauf hinzuweisen, wie korrupt es zugeht.

Daran musste ich denken, als das Titelbild der Mainpost zur Eröffnung der olypischen Spiele in Peking in schwarz-weiß erschien. Dazu die Ankündigung, dass in den kommenden Wochen die Berichterstattung aus China nur mit schwarz-weiß Fotos erfolgen soll. Ein deutliches Zeichen eines ernstzunehmenden Jounalismus, der sich nicht blenden läßt vom schönen Schein und der damit hinweisen möchte auf Folter, Medienzensur, Umerziehungslager und Unterdrückung von Minderheiten.

Manchmal muß im eigenen Leben, in der Kirche, in der Politik und in der Welt, die Linse auf schwarz-weiß gestellt werden, damit wahrgenommen wird, was wirklich los ist. Nur so kommt ans Licht, was nicht in Ordnung ist und was verändert werden muss. Das ist freilich zuweilen ein langer Prozeß, aber damit beginnt es.

Wer das bunte und farbenprächtige Leben genießen kann, sollte es auch anderen gönnen und Ihnen dazu verhelfen, denn Gott möchte, dass allen Menschen geholfen wird.

Jacqueline Barraud-Volk,

geschäftsführende Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde Bad Kissingen

und Rundfunkpredigerin im Bayerischen Rundfunk

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