Beschreibung

Wort zum Sonntag,
22.10.2023

 Gedankenspiel

 Keine Angst vor Nichts und Niemand

 

Mein Lieblingskinderbuchautor hat heute einen besonderen Geburtstag.
Genau 100 Jahre wäre Otfried Preußler alt geworden, wenn er noch leben würde.

Seine Bücher haben mich schon damals in ihren Bann gezogen. Wie Kasperl und Seppel es dann doch geschafft haben, dem „Räuber Hotzenplotz“ das Handwerk zu legen. Oder was alles passieren muss, damit „Das kleine Gespenst“, endlich wieder nachts erwacht und so zu seiner Burg zurückkehren kann. Später dann „Krabat“, die Geschichte von dem Zauberlehrling, der erfährt, dass Liebe stärker ist als alles, was sich ihr in den Weg stellen will.

Am meisten beeindruckt hat mich allerdings die „Kleine Hexe“. Sie wissen vielleicht noch: Die kleine Hexe, die leider erst 127 Jahre alt ist und deshalb von den großen Hexen nicht für voll genommen wird. Da sie nun keine große Hexe ist, will sie wenigstens eine gute sein. Und mit diesem Entschluss beginnt ein aufregender Wirbel, denn eine gute Hexe bringt alles nur durcheinander.

Aber eigentlich geht es in diesem Buch darum, dass man vor bösen Hexen gar keine Angst haben braucht. Und ich lerne noch als Erwachsener, dass man im Leben eigentlich vor nichts und niemand Angst haben muss. Weder vor denen, die meinen, alles besser zu wissen, noch vor denen, die immerzu kräftig austeilen, aber keine Kritik bei sich selbst zulassen. Keine Angst vor dem, was kommen könnte und auch keine Angst vor Gott.

Ich kann es nicht fassen, wenn sich Menschen heute noch Gott wie einen großen Aufpasser vorstellen, der beleidigt ist, wenn sie einen Fehler machen. Im Gegenteil: Gott schüttelt nur mit dem Kopf, wenn wir ihn uns so klein denken. Wir Menschen machen uns das Leben gegenseitig schon schwer genug. Dafür muss Gott nun wirklich nicht auch noch herhalten.

Überhaupt: Das haben Otfried Preußler und Religion gemeinsam: den Menschen die Angst zu nehmen. Angst macht krank. Angst macht klein. Angst macht abhängig.

Glaube dagegen macht mutig. Glaube baut Vertrauen auf. Vertrauen zu Gott, dessen großes Anliegen es ist, dass wir Menschen uns nicht ständig von Menschen oder irgendwelchen anderen Dingen ausbremsen lassen.

So gesehen kommt der Aussage des Buches von der kleinen Hexe auch ein Vers aus dem 56.Psalm sehr nahe, wenn es dort heißt: Auf Gott vertrau ich und fürcht mich nicht! Was können mir Menschen schon antun?“ (Psalm 56,5).

Thomas Volk,
evang. Pfarrer in Bad Kissingen