Beschreibung

Wort zum Sonntag,
10.09.2023

  

Gerechtigkeit - ein Grundbedürfnis unseres Lebens

 

„Herr Doktor, man ignoriert mich!“

„Der Nächste bitte“.

Kürzer geht es nicht, eines der Grundprinzipien der Grundbedürfnisse unseres Lebens zu umschreiben: Gerechtigkeit. Gleiches Recht für alle. Fehlt das, werden wir ignoriert und andere bevorzugt, dann bricht unser Weltbild zusammen. Klare Regeln und klare Konsequenzen, wenn dem nicht so ist. Wenn nämlich etwas schmerzt, uns aufregt, dann, wenn diese Gesetze nicht gelten. Wenn dem einen erlaubt ist, was dem anderen streng verwehrt bleibt. Und schön, wenn man auch die Bibel wie für fast alles als Kronzeugen benennen kann: „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen“, wie es Paulus im zweiten Brief an die Thessalonicher zugeschrieben wird.

Darum sollten absolute Gerechtigkeitsfanatiker diesen Sonntag die Gottesdienste meiden. Das ungerechteste aller Evangelien steht nämlich an: Die, die eine Stunde im Weinberg zur kühlen Abendstunde arbeiten, bekommen exakt dasselbe wie die, die den ganzen Tag im prallen Sonnenschein sich plagen und schuften. Der Gutsherr, hinter dem Gott sich verbirgt, handelt so. Den Kritikern schleudert er entgegen: „Kann ich mit dem Meinen nicht machen, was ich will?“, und: „Bist du neidisch, weil ich gütig bin?“

Aber müssen wir wirklich draußen bleiben, um uns nicht aufregen zu müssen? Oder hat diese ganz andere Ordnung doch etwas Einladendes, Nachdenkenswertes an sich? Man wird sie nicht 1:1 in Tarifverträge und Ähnliches übersetzen können. Das fordert Jesus sicher nicht, siehe die schon zitierte Weisung des Völkerapostels. Trotzdem: gütig sein. Nicht naiv. Aber in alle Entscheidungen sollen wir dieser Güte Platz einräumen. Sie allein nämlich schlägt Brücken, lässt mir unsichtbare, mir unbekannte Lasten einen tragen, der durch alle Raster meiner Gerechtigkeitswelt fällt. Es wird eine Einladung Gottes an uns sein, an unsere Worte, Gedanken, auch an unser Handeln. Und die Welt wird nicht schlechter, wenn wir ihr folgen.

Einen gesegneten Sonntag,

 

wünscht

 

Ihr Pfr. Hans Thurn,

Pfarrer im pastoralen Raum Bad Brückenau