Wort zum (5. Fasten-)Sonntag
Von Hundert auf Null: vom Tod zum Leben?
Gedanken von Pfarrvikar Matthias Karwath
Impuls als Video: https://www.youtube.com/watch?v=Z3ZXVfZ3hk4&t=160s
Impuls als PDF: Gottesdienst_Daheim_29.03.2020
Liebe Leserinnen und Leser,
der Corona-Virus zwingt uns zu ungewohnten Maßnahmen: Von heute auf morgen fahren wir von einer überdrehten Hochgeschwindigkeit im öffentlichen Leben mit einer Vollbremsung auf einen fast völligen Still-stand zurück.
Ich bin sehr für Stille zu haben und begleite gerne Schweige-Exerzitien, aber diese Art von Stille, die wir jetzt erleben, ist von anderer Art. Sie wirkt auf mich eher bedrückend, weil sie nicht freiwillig gewählt wird, sondern angeordnet ist. Ich vermute, dass viele eher hilflos und irritiert auf dieses Stillstehen reagieren und nicht recht wissen, wie sie mit der vielen Zeit umgehen sollen, die sie jetzt auf einmal haben.
Vielleicht braucht es diese „Vollbremsung“, sage ich mir, wenn es mir gelingt, quasi von „außen“ auf die Entwicklung der letzten Tage zu blicken. Dass wir nicht so wie bisher mit der Schöpfung umgehen können, das sagen uns wissenschaftliche Untersuchungen seit Jahr-zehnten. Dass das Tempo der Arbeitswelt und der Digitalisierung uns – bei all ihren Vorteilen – den Atem raubt, spüren wir ebenfalls schon seit längerem. Dass die Schere zwischen reichen und armen Ländern immer weiter auseinandergeht, ist ebenfalls keine Neuigkeit.
All dieses Wissen hat aber doch keine wesentliche Veränderung im Umgang untereinander und mit der Schöpfung bewirkt! Gelingt uns das vielleicht jetzt – durch diese Vollbremsung?
Wenn ich mir eine Vollbremsung im Auto vorstelle, dann würde mein Oberkörper Richtung Lenkrad und von dort in den Sitz zurückgeworfen werden. Ich wäre geschockt und würde darauf hören, ob mein Herz und mein Atem sich wieder beruhigen. Vielleicht könnte ich nach einer gewissen Zeit wieder weiterfahren, wenn nicht, würde ich aussteigen.
Etwas Ähnliches überzeugt mich auch für diese „Auszeit“, diesen „Still-stand“, den wir jetzt erleben: Nicht weitermachen wie bisher, sondern auf mein Inneres hören, auf mein Herz, auf meinen Atem. Was kommt als innerer Impuls auf mich zu?
Ich kann nur Mut machen, das ernst zu nehmen, was sich in der Leere, in meiner Seele oder etwa auch vom Bauch her innerlich zeigt. Das sind oft zentrale Botschaften des Lebens oder – vom Glauben her gedeutet – des Geistes Gottes, die wir an der Oberfläche des Alltages gar nicht hören.
Im Evangelium dieses Sonntages geht es um Leben und Tod. Jesus ist stark berührt vom Tod seines Freundes Lazarus. Er weint.
Das Evangelium erzählt, dass es Jesus aufgrund seiner inneren Ver-bundenheit mit Gott gelingt, Lazarus zu neuem Leben zu erwecken.
Ich wünsche uns allen, dass es auch uns an diesem „Nullpunkt“ gelingt, ähnlich wie einem Lazarus, zu neuem Leben aufzuerstehen. Neues Leben, was unseren Lebensstil anbelangt, unserem Umgang mit der Schöpfung, mit uns selbst und mit unserer Beziehung zu Gott. Das wird umso besser gelingen, je mehr wir das Leer-werden und das Inne-Halten als Chancen begreifen, um nicht so weiterzumachen wie bisher.
Pfarrvikar Matthias Karwath